Wie steht es in Deutschland um die Verfügbarkeit von Fachkräften in den Schlüsseltechnologien Machine Learning und Data Science? Wie können Wissenschaft und Wirtschaft diese Kompetenzen fördern, um die digitale Transformation aktiv mitzugestalten und Deutschland international wettbewerbsfähig zu machen? In einem Onlineworkshop am 27. März 2020 setzten sich Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft mit diesen Fragen auseinander. Ihre Schlussfolgerung: Für Machine Learning und Data Science braucht es mehr praxisorientierte und interdisziplinäre Ausbildungsangebote und bedarfsgerechte Weiterbildungsangebote.
Die Corona-Krise führt eindrücklich vor Augen, wie digitale Technologien dazu beitragen, Systeme resilienter zu machen. Das gilt auch und insbesondere für Technologien wie Machine Learning oder Künstliche Intelligenz. Insofern ist es ein positives Zeichen, dass es in diesem Zusammenhang an deutschen Hochschulen immer mehr Ausbildungsangebote gibt. Das hoben auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Onlineworkshops hervor, der Ende März stattfand und gleichzeitig die Abschlussveranstaltung des Projekts UPLINX war. Der Bedarf an Absolventen mit Qualifikationen in Data Science, KI und Statistik könne daher voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren am Arbeitsmarkt gedeckt werden. Allerdings, darin waren sich die Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft einig, bedürfe es mittelfristig der Etablierung eines eigenständigen Studiengangs für Data Science mit Fokus auf Praxisnähe. Darüber hinaus müssten in nicht-technischen Studiengängen mehr Wahlfächer angeboten werden, die Anwendungskompetenzen im Bereich Data Science interdisziplinär vermitteln.
Bedeutend problematischer schätzten die Workshop-Teilnehmenden die Situation in der Weiterbildung von Fachkräften ein. Weiterbildungsprogramme müssten mit Blick auf die unterschiedlichen Bedarfe und enge zeitliche Spielräume von Unternehmen agiler und alltagstauglicher werden. Übliche SCRUM-Methoden reichten für komplexe Deep Learning-Projekte nicht mehr aus, sodass bessere Projektmethoden entwickelt werden müssen.
Die Expertinnen und Experten identifizierten folgende Qualifizierungs- und Kompetenzbedarfe zur Weiterentwicklung von Aus- und Weiterbildung in Machine Learning und Data Science:
- Lehrinhalte an Hochschulen und Universitäten verbessern und anpassen: In der Praxis werden nicht immer Entwicklungskompetenzen benötigt. Häufig kommt es dort vielmehr auf ein breites und praxisnahes Wissen für den bedarfsgerechten Einsatz von Machine Learning und Data Science an. Es ist daher sinnvoll, einen grundständigen Studiengang für Data Science aufzustellen und mehr modulare Angebote für nicht-technische Studiengänge zu etablieren.
- Mehr Bildungswege öffnen: Die Diskrepanz zwischen der Vorbildung von Berufseinsteigern und Berufstätigen wächst. Um dies auszugleichen, müssen mehr Bildungswege für Machine Learning und Data Science geöffnet werden, beispielsweise durch standardisierte und berufsbegleitende Bachelor- und Masterstudiengänge, mehrwöchige Bootcamps und IHK-Fachwirtstudiengänge.
- Weiterbildungsangebote besser mit dem Arbeitsalltag der Fachkräfte verzahnen und branchenspezifisch ausrichten: Besonders die Möglichkeit zur Einbindung von Unternehmensdaten und Fallbeispielen ist nach Ansicht der Weiterbildungsanbieter und Unternehmen ein großes Anliegen. Während weiterhin großer Bedarf bei der Entwicklung erster Pilotprojekte besteht, benötigen viele Unternehmen mittlerweile auch intensive Unterstützung, um Piloten weiterzuentwickeln und innovative Prozesse und Produkte zu etablieren. Damit Kooperationen zwischen Bildungsanbietern und Unternehmen gelingen, bedarf es einer hohen Datenqualität und -quantität. Diese Voraussetzung kann durch Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen und Fachverbänden unterstützt werden, indem fachspezifische Daten zur Weiterbildung verfügbar gemacht werden.
- Weiterbildungshubs schaffen, um eine hohe Weiterbildungsqualität zu ermöglichen: Firmen, die in die Themen Data Science und Machine Learning einsteigen möchten, sollten durch Weiterbildungsnetzwerke einen leichten Zugang finden und sich orientieren können. Außerdem sollten sich Weiterbildungsanbieter und Forschungseinrichtungen in Weiterbildungsnetzwerken vernetzen können, um Erfahrungen auszutauschen, Wiederholungsfehler zu vermeiden und Empfehlungen für Qualitätsmerkmale sowie Richtlinien zur Lerneffektivität zu geben und somit zur Investitionssicherheit für kleinere und mittlere Unternehmen beizutragen.
- Die Geschäftsführungs- und Managementebene abholen: Zielgruppenspezifische Weiterbildungsangebote sollten besonders Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern Möglichkeiten für neue Rollen- und Prozessprofile aufzeigen und mehr Hilfestellung für Investitionsplanungen geben, beispielsweise für die Beschaffung von High Performance Hardware. Darüber hinaus sollten Managementkurse Inhalte zu lebenslangem Lernen beinhalten. Geschäftsführungen müssen Talente fördern und neue Karrierewege anbieten, um sowohl ihre Innovationskultur als auch ihre Unternehmensattraktivität mit Hinblick auf das Personal zu stärken. Der Staat könnte dies beispielsweise mit Bildungsgutscheinen fördern.
- Lernerfolge mit Hilfe von Social Learning fördern: Das Onlineangebot von Weiterbildungen ist groß, es fehlt jedoch oft an Austauschmöglichkeiten mit Teilnehmenden sowie an Fragemöglichkeiten an Dozierende. Initiativen wie Meetup, die das Zusammenfinden von Lerngruppen und Mentoren für E-Learning Angebote erleichtern, erhöhen den Lernerfolg von Onlineangeboten und somit auch die Investitionssicherheit für Unternehmen und Beschäftigte. Solche Initiativen müssen aktiv gefördert und ausgebaut werden, beispielsweise durch Weiterbildungshubs.