Das Fürstlich Fürstenbergische Schloss Donaueschingen - ein Innovationshub 2017. Foto: Stefan Karl, Wikimedia / CC BY-SA 3.0
Digital Südwest 2025 heißt eine Initiative des Fürstenberg-Forums. Auch in diesem traditionsreichen, bisher außerhalb der Öffentlichkeit stattfindenden Netzwerk spürt man den rasanten Wandel.
Der Himmel leuchtet blau von der Decke des Spiegelsaals. Fresken und Büsten verzieren den prächtigen Raum, Kronleuchter werfen gedämpftes Licht auf die Wandteppiche. Ein Hausmädchen serviert Kaffee und empfiehlt lächelnd den hausgemachten Zitronenkuchen. Es fehlt nur das Lodern des Feuers, und die Szenerie im Schloss zu Donaueschingen wäre perfekt.
In früheren Epochen haben sich hier – so heißt es – berühmte Denker zu Kamingesprächen versammelt und haben über die Meilensteine der Industriegeschichte sinniert. Nun ist in diesem ungewöhnlichen Ambiente auch das Zukunftsthema des 21. Jahrhunderts angekommen: Bei einer Veranstaltung der Initiative Digital Südwest 2025 diskutierten Vertreter von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft das Thema Digitalisierung in all seinen Facetten.
Digital Südwest 2025 will Modernisierungsplattform sein
Auch für den Adel ist Digitalisierung ein Thema„Diskussionen und Vorträge haben in diesem Raum eine jahrhundertelange Tradition“, sagt Fürstin Massimiliana von Fürstenberg. Kleine Tischgruppen verteilen sich im Saal: Chefs von großen und kleinen Unternehmen, Berater und Juristen sind vertreten. Darunter sind nur wenige Frauen, die allerdings eher am Rande des Geschehens sitzen. Das moniert die Fürstin: „Frauen gehören in die erste Reihe, meine Herren.“ Die Herren schmunzeln.
Mit dem Thema Digitalisierung müssen sich heute nicht nur die Googles und SAPs dieser Welt auseinandersetzen, sondern auch der Adel. „Die Fürsten sehen es als ihre Verantwortung an, aktuelle Themen in der Gesellschaft zu platzieren und zu diskutieren“, sagt Jürgen Maier. Er organisiert im Namen der Adelsfamilie das Fürstenberg-Forum, ein Netzwerk für Wirtschaftsentscheider im Südwesten.
Dass die Familie sowohl der zweitgrößte private Besitzer von Waldbeständen in Deutschland sei, als auch an zahlreichen Unternehmen beteiligt ist, für die ebenfalls Veränderungen in der Arbeitswelt anstehen, sei dabei lediglich ein Randaspekt, so Maier.
Die Digitalisierung ist ein Prozess
Experten und Praktiker sollen erläutern, wo bei den Unternehmen im Moment der Schuh drückt. Der Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und Co-Erfinder des Ausdrucks „Industrie 4.0“, Professor Dieter Spath, fasst den Forschungsstand zusammen: „Die Digitalisierung ist kein Ereignis, sondern ein Prozess“, sagt er. „Unternehmen stehen vor dem Problem der Ambidextrie“, dem richtigen Umgang mit zwei rechten Händen: Alte Geschäfte, die Geld abwerfen, und neue digitale Geschäftsmodelle müssten vereinigt werden.
Das sei nicht nur für Firmenleiter eine Herausforderung, sondern auch für die Mitarbeiter. Michael Guschlbauer, Vorstand der Bechtle AG, bestätigt das. Der IT-Dienstleister aus Neckarsulm weiß, wie schwer es für Unternehmen ist, Mitarbeiter für den digitalen Arbeitsalltag vorzubereiten. „Wichtig ist, dass wir für eine Vielzahl von Arbeitstypen eine Beschäftigung finden“, sagt Guschlbauer. Denn nicht jeder fühle sich in Organisationen wohl, die eigenverantwortliches und flexibles Arbeiten voraussetzten.
Wie viel Flexibilisierung ist menschengerecht?
„Es gibt Menschen, die suchen starre Strukturen.“Dennoch glaube er nicht, dass der Druck unter den Arbeitnehmern durch die Digitalisierung zunehme. Vielerorts würden Menschen durch Roboter und Softwarelösungen entlastet. „Lernende Maschinen geben Mitarbeitern zusätzlich Zeit, um strategische Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen“, sagt die Marketing-Spezialistin von Google, Andra Kullat.
Auch die ständige Erreichbarkeit würden Menschen unterschiedlich wahrnehmen. Junge Leute etwa motiviere es, wenn sie Arbeit in ihren Alltag integrieren würden, glaubt Startup-Gründer Michael Wax. Dieter Spath geht grundsätzlicher an die Frage: Man müsse darüber nachdenken, wo Stress entstehe und warum. Seiner Meinung nach seien Menschen vor allem dann gestresst, wenn sie die Kontrolle über ihre Arbeit verlören. Als Lösung dafür schlägt er vor, den Mitarbeitern nicht weniger, sondern mehr zuzutrauen: „Wir brauchen flexiblere Gesetze.“ Menschen müssten vor Missbrauch geschützt werden. Zugleich sollten Mitarbeitern mehr Freiheiten zugestanden werden.
Die Netzwerk-Tradition lebt
Kurz darauf bittet die Fürstin die Gäste in die Speiseräume. In der Schlange am Büfett kommt man ins Gespräch. Ein Anwalt erzählt, wie wenig Jura-Studenten auf die digitale Welt und Probleme wie Cyberspionage vorbereitet würden. Ein Manager redet über Online-Werbung.
Im Raum nebenan zeigen Bilder die Fürstenfamilie in der Kirche und auf dem Pferd. Auf dem Sofa daneben sind zwei Personen ins Gespräch vertieft. Und es ist ein Leichtes, sich vorzustellen, wie auch vor Jahrhunderten hier schon Netzwerke gesponnen wurden.
Was ist die Initative Digital Südwest 2025?
„Digital Südwest 2025 will dazu beitragen, dass Baden-Württemberg als Gewinner aus dem digitalen Strukturwandel hervorgeht“, sagt der Präsident der Initiative, Heiko Meyer. Er ist gleichzeitig auch Vorsitzender der Geschäftsführung Hewlett-Packard Deutschland. Im Zentrum von Digital Südwest 2025 stünden Erfahrungsaustausch, Lernen und die Gründung von Kooperationen.
Insgesamt sind 23 Wirtschaftsentscheider aus dem Südwesten dabei, darunter das Energieunternehmen MVV, die Bechtle AG, Fraunhofer-Institute und Rechtsberater. Die Initiative verbindet Mittelständler und Investoren mit Startups. Zudem betreibt man Lobbyarbeit oder fördert Ausbildungsprogramme rund um das Thema Digitalisierung.